Tragen, Stillen und Co-Sleeping – schaut so die gute Mutter aus?

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Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir bewerten und bewertet werden. Von klein auf. Wir kennen es gar nicht anders. Eltern klatschen begeistert in die Hände, wenn sich das Baby zum ersten Mal dreht und bekunden ihre Freude mit Lobeshymnen. Im Kindergarten sagt die Pädagogin, dass das Bild schön gemalt sei. In der Volksschule werden wir mit Noten beurteilt, im Job gibt es Zeugnisse und auf Facebook sammeln wir likes.

Dann kommt ein Baby.

Eltern-Sein war schon immer schwer

Wir übernehmen die verantwortungsvollste Aufgabe, die es vielleicht gibt: Einen Menschen begleiten. Wir werden Mutter. Und Vater. Natürlich wollen wir es nicht nur gut machen, wir wollen es am besten machen und auf jeden Fall besser als unsere Eltern. Wir wollen für unser Kind nur das Beste – dabei reiben wir uns zwischen eigenen und fremden Ansprüchen völlig auf. Eltern-Sein ist von jeher kein Zuckerschlecken, doch heute ist Elternschaft keine Privatsache mehr, heute ist eine Gesellschaftsthema, das entsprechende Erwartungen allerorts an uns heranträgt. Keine Mutter kann sich den verschiedenen Glaubenssätzen über das angeblich perfekte Mutter-Sein entziehen. Doch etwas fehlt: Die Bewertung von außen. Wir sind es nicht gewohnt eine „Leistung“ zu erbringen, ohne dafür „klassifiziert“ zu werden, ohne ein „Feedback“ zu erhalten – und ein „Ich hab dich lieb“ oder „Du bist die beste Mama der Welt“ reichen da noch nicht aus, um die Krone zu richten. Doch wer kann beurteilen, wie gut wir es machen: Die Hebamme? Die Oma? Die Freundin? Das Baby selbst? Wer setzt den Maßstab? Und wenn das Baby dann abends stundenlang brüllt und sich nicht beruhigen lässt, sind wir dann durchgefallen und haben versagt?

Mütter und Selbstzweifel

Selbstzweifel gehören zum Mutter-Sein wie Stilleinlagen und Spucktücher. Sie gehören vor allem den Müttern, denn Väter scheinen  mit ihrer Rolle anders umzugehen – bei ihnen dreht es sich mehr um die Frage, ob sie die nächste Stufe auf der Karriereleiter erreichen. Ihr Selbstwert ist größer, denn wenn sie ihr Baby wickeln, tragen oder nachts mal aufstehen, dann werden sie dafür gelobt. Und von anderen Müttern beneidet: „Ach, was hast du für einen lieben Mann. Meiner würde das nie tun.“ Man kann bei solchen Lobesbekundigungen förmlich sehen, WIE der Selbstwert in die Höhe schießt. Bei Müttern sind diese Aufgaben jedoch selbstverständlich und werden erwartet. Dass sie täglich von Kurs zu Kurs hetzen, um den Nachwuchs bestmöglich auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten, dass sie täglich die Schultasche trägt und sich jährlich darum bemüht, einen noch besseren Geburtstagskuchen zu backen, sieht niemand. Statt einem starken Kind hat man am Ende eine Mutter, die chronisch erschöpft ist und tief verunsichert, weil ihr niemand sagt, wie fabelhaft sie es macht. Sie stehen unter einem großen Erfolgs- und Perfektionsdruck, den eigenen und gesellschaftlichen Anforderungen an die Mutterrolle und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht zu werden. Und diese Anforderungen haben sich in den letzten Jahren enorm verändert: Präsent sein, aber nicht helikoptern, Freiheit, aber nicht ohne Grenzen, und jeden Morgen einen warmen Bio-Hirsebrei servieren – so nebenbei, natürlich.

Eltern leisten Großartiges. Viel zu selten bekommen sie dafür Anerkennung, Zuspruch oder einfach ein „Danke“. Dabei verdienen sie es. Kein Wunder, dass dann Selbstzweifel entstehen, wenn plötzlich das Lob ausbleibt. Gedanken, ob man eine gute Mutter ist, sind ein guter Nährboden für Selbstzweifel.

Tragen, Stillen und Co-Sleeping – schaut so die gute Mutter aus?

Ist eine gute Mutter eine, die sich aufopfert, die immer alles richtig macht, nur liebevoll mit ihren Kindern spricht, sie stillt, trägt, im Familienbett mit ihnen schläft und windelfrei praktiziert? Sind diese einzelnen Zutaten jene, die am Ende eine glückliche Kindheit bescheren?

Nein, wer mit seinen Kindern bindungsorientiert liebt muss nichts davon machen, wenn er/sie sich damit nicht wohl fühlt. Eine gute Mutter ist keine, die die Bedürfnisse des Kindes immer in den Vordergrund stellt und alle Trends von „Stillen“ über „Tragen“ und „Breifrei“ mitmacht. Eine gute Mutter ist eine, die die Bedürfnisse des Kindes sieht, darauf eingeht und angemessen reagiert und sich um eine sichere Bindung bemüht – auf Basis ihrer Erfahrungen, ihrer Reflexion und ihrer ganz individuellen Familie. Ja,  all diese Zutaten können unterstützen und sie können bei Bedarf eingesetzt werden – sie sind ein Repertoire, auf das Eltern zurückgreifen können. Dennoch bedeutet es im Umkehrschluss nicht, dass eine Mama, die ihr Kind mit der Flasche füttert, eine schlechte Mama ist. Denn auch sie ist eine liebende und fürsorgliche Mama, wenn sie ihr Kind beim Füttern immer eng bei sich hat, wie beim Stillen auch. Es gibt viele Wege zu einer sicheren Bindung und Bausteine, aus denen sich jeder bedienen kann und sich das nehmen kann, was zu seiner Familie passt. Aber keines dieser Hilfsmittel ist von sich aus eine Garantie für eine sichere Bindung und dafür, die Auszeichung „Gute Mutter“ verliehen zu bekommen.

Basicmama statt Supermama

Kinder brauchen eine gute Basis, eine sichere Bindung und jemanden, der promt und verlässlich auf seine Bedürfnisse reagiert. Sie brauchen aber auch eine Mutter, die sich selbst achtet, ihre Grenzen kennt und nicht vergisst, auf ihre Ressourcen zu achten. Kein Kind hat etwas von einer Mutter, die in die Selbstaufgabe läuft und dabei unglücklich ist. Noch nie in der Evolutionsgeschichte der Menschheit war es vorgesehen, dass Mütter alleine die „Aufzucht“ eines Kindes übernehmen. Es war immer eine Gemeinschaftsaufgabe – Arbeitsteilung. Die Teilzeitmutter. Die Basicmutter anstatt der Supermutter. Mütter sollen authentisch sein und ohne einem schlechten Gewissen auf ihre Bedürfnisse achten.

Du brauchst nur drei Sätze zu verinnerlichen:

  1. Ich bin eine gute Mutter und ich habe meine Grenzen
  2. Ich bin eine gute Mutter und nicht immer nahe
  3. Ich bin eine gute Mutter und achte auf mich selbst

Kinder sind mit einer glücklichen Mutter viel zufriedener als mit einer perfekten. „Halb so gut sein“ reicht vollkommen aus. Mutter-Sein ist kein Hochleistungssport und der Gedanke, immer alles richtig machen zu wollen, ist übertrieben.

Was da hilft: Selbstbewusstsein. Und das Wissen, von der Meinung der Umgebung unabhängig zu sein. Den eigenen Weg gehen, dazu stehen und innerlich gefestigt zu sein. Von seinem Kind leiten lassen und darauf achten, welche Bedürfnisse es hat. Es gibt kein Patentrezept für eine glückliche Kindheit, aber viele Wege, die eine glückliche Kindheit bescheren und eine gute Mutter zu sein.

 

10 Tipps, wie du deine Selbstzweifel wieder los wirst

1. Kenn deine Bedürfnisse

Kurz nach der Geburt wird alles drunter und drüber gehen, das ist normal. Mit der Zeit wächst du jedoch in die Situation hinein und wirst die Bedürfnisse deines Kindes kennenlernen und lernen, auf sie einzugehen. Aber vergiss dabei nicht, auch deine Bedürfnisse zu berücksichtigen, denn Zufriedenheit und Entspannung sind für das Zusammenleben mit einem Baby äußerst wichtig.

2. Sei egoistisch

Ja, das darfst du sein. Du darfst die Oma mit deinem Kind eine Ruhe spazieren schicken, während du dir ein ausgiebiges Vollbad gönnst oder nackt durch die Wohnung tanzt. Du darfst zum Frisör gehen und dir eine freche Kurzhaarfrisur schneiden lassen, damit es in der Früh schneller geht. Alles, was dir gut tut, darfst du machen und dabei dein Kind ruhig einmal bei jemand anderem lassen. Tanke wieder Energie!

3. Vergiss nicht zu lachen

Humor macht das Leben einfacher – also vergiss nicht darauf zu lachen! Nicht nur so „hihi“, sondern so richtig ausflippen, einen richtigen Lachflash bekommen, dass dir sogar die Tränen im 45 Grad Winkel aus den Augen schießen. Wenn du lachst, ist vieles gar nicht mehr so schlimm.

4. Mach dein Mutter-Ding

Vielleicht spuken auch in deinem Kopf so ein paar Klischees herum, wie du als Mutter zu sein hast. Vergiss sie. Alle. Und denke gar nicht darüber nach, was andere von dir erwarten. Frage dich immer: Was macht DICH glücklich? Bequeme Schuhe und eine Jogginghose? Ja worauf wartest du dann noch?

5. Verabschiede dich von deinem Perfektionismus

Chaos gehört zum Familienleben dazu. Es läuft eben nicht immer nach Plan. Wenn sich dann wieder die Perfektionistin in dir meldet, dann klatsch ihr eine. Perfektionismus macht auf Dauer unglücklich: Ob es der eigene Körper ist, der Putzfimmel und der Wunsch, immer eine perfekt aufgeräute und bis ins letzte Eck staubfreie Wohnung zu haben. Damit stehst du dir nur selbst im Weg.

6. Es gibt sie nicht, die Ideale

Perfekte Eltern gibt es nicht, ebenso wenig wie perfekte Familien, perfekte Kinder oder das perfekte Leben. Wunderst du dich immer wieder, wie Promis nur wenige Wochen nach der Geburt wieder ihre perfekten Körper haben und scheinbar problemlos ihr Familienleben mit einer steilen Karriere verbinden? Ich mich auch. Aber irgendwann bröckelt auch die schönste Fassade. Und die Frage ist immer, welchen Preis sie dafür zahlen (also nicht nur monitär).

7. Such dir Gleichgesinnte

Wenn man Kinder hat, sind Freundschaften mit kinderlosen entweder eine Bereicherung oder der Stups von der Klippe. Suche daher unbedingt andere Eltern, suche Gleichgesinnte, die dich verstehen, die eine ähnliche Situation kennen. Bau dir ein Netzwerk auf, ein Dort, einen Clan, auf den du dich verlassen kannst.

8. Lerne „Nein“ zu sagen

Nicht nur bei deinem Kind, sondern in allen Lebensbereichen: Ob es der Besuch der Verwandtschaft ist, ungefragte Ratschläge, blöde Kommentare, eine berufliche Angelegenheit. Du darfst „Nein“ sagen, denn du musst nicht die Wünsche der anderen erfüllen und alles an dich herantragen lassen.

9. Hab keine Angst davor, keine perfekte Mutter zu sein

Deine Kinder werden es dir danken, wenn du nur halb so gut bist, aber dafür glücklich. Kein Kind braucht perfekte Eltern.

10. Schätze dich selbst!

Genau, du hast richtig gelesen. Schätze dich selbst. Und schätze auch deine Leistung, die du bringst. Denn wenn du es nicht als toll erachtest, wie soll es dann jemand anderer sehen?

Für dein Kind bist du die beste Mama, wenn du da bist, wenn du dein Kind bedingungslos liebst, wenn du auf seine Bedürfnisse achtest und eingehst, wenn du dein Kind annimmst. Für dein Kind bist du nicht nur gut genug, für dein Kind bist du die beste Mama.

Es gibt kein richtig oder falsch. Eine Mutter, die sich voll und ganz für ihr Kind aufopfert und dabei ihre Karriere vergisst, macht es nicht besser oder schlechter als eine Mutter, die wieder früh ins Berufsleben zurück möchte. Wichtiger ist, sich der Konsequenzen bewusst zu sein, die die eigene Entscheidung mit sich bringen können. Woran soll sich mein Kind einmal erinnern, wenn es an seine Kindheit denkt?

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