Das hochsensible Kind in der Schule

Hochsensible Kinder in der Schule

Das hochsensible Kind in der Schule – Es ist ein Spießrutenlauf für meine Tochter. Sie hat nun bald ihr erstes Schuljahr hinter sich und langsam traue ich mich zu behaupten, dass sie sich an die neue Situation gewöhnt hat. Aber noch immer verunsichern sie zwei Wochen vor dem Ende des ersten Schuljahres kleine Situationen, auf die sie nicht vorbereitet ist. Für die ganze Familie ist es eine belastende Situation.

Meine Tochter ist ein hochsensibles Kind und sie hat Besonderheiten, die wir als Eltern kennen und wir haben gelernt, mit ihrer Gabe umzugehen. Ja, hochsensibel zu sein ist Fluch und Segen zugleich.

Sie fühlt viel intensiver und mehr als andere Menschen. Aber sie fühlt auch intensiver und mehr als andere Menschen.

Hochsensible Kinder in Kindergarten und Schule

Problematisch wurde es nicht erst mit der Schule, sondern schon mit dem Kindergarten. Der Eintritt in den Kindergarten ist für jedes Kind ein großer Schritt, bei dem auch normalsensible Kinder stark gefordert werden und die der neue Alltag prägt. Das Kind muss sich an neue Bezugspersonen gewöhnen und sich in einer Kindergruppe nicht nur zurechtfinden, sondern sich auch behaupten. Mein sensibles Kind wurde mit einem System konfrontiert, das sie ganz und gar überforderte. Sie war ständig überreizt, sie war neben sich, sie war wütend, trotzig, schlief schlecht, zog sich zurück, ließ ihren Emotionen dann wiederum freien Lauf und brüllte sich ihren ganz Schmerz aus der Seele. Ich war ratlos und überlegte, sie nach einer langen, langen Eingewöhnung auch wieder aus dem Kindergarten nehmen, bis mir empfohlen wurde, eine sensorische Integrationstherapie mit ihr zu beginnen. Der beste Schritt, von dem wir bis heute noch profitieren. Sie hatte so ein System um sich, das sie durch diese Zeit begleitete, da sie stütze und ihr vermittelte, wie sie mit ihrer Gabe umgehen kann. So schaffte sie die Kindergartenzeit gut und ich blickte positiv in die Zukunft. Ich hatte vertrauen in mein Kind, dass sie es schaffen würde.

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Dann kam die Schule. Die Schule bedeutete für sie eine Umstellung auf ein komplett neues System, das nur wenigen Möglichkeiten für Individualität bietet. Wie würde es ihr dort ergehen? Sie ist sehr feinfühlig, sehr empfindsam, sehr einfühlsam und ist schnell damit überfordert, wenn es zu viel ist. Der Schulalltag ist laut. Plötzlich musste sie sich einem Schulrhythmus anpassen und durfte nicht mehr in dem Ausmaß frei über ihre Zeit verfügen wie im Kindergarten oder zu Hause. Sie hatte Pflichten, sie hatte Ziele, die sie erfüllen musste, sie hatte Aufgaben und musste auch Sachen erledigen, die sie nicht interessierten. Und sie musste neue Freunde finden – die größte Hürde in diesem Schuljahr: Sie ist außergewöhnlich in ihrer Art, sie kann sehr offen sein, sehr lustig, sehr befreit, die meiste Zeit jedoch ist sie ruhig, fokussiert sich auf ein bis zwei andere Kinder in der Klasse und versucht, so gut wie möglich mit dem Strom zu schwimmen. Sie hat schnell die Tendenz des Introvertiertseins für sich als Strategie entwickelt, um mit den Reizen umzugehen. In den ersten Wochen nach dem Schulbeginn hat sie jeden Nachmittag geschlafen, weil die ganzen Anforderungen, Neuerungen und Umstellungen ihren kleinen Körper schlauchten. Ich merkte, wie wichtig wir als Eltern in dieser Situation waren und wieviel Glück wir hatten auf Lehrer zu treffen, die ihre Besonderheit erkannten, sie verstanden und sie schützten, so gut sie es innerhalb des Systems konnten. Immer wieder durfte sie sich aus der Gemeinschaft nehmen wenn sie das Bedürfnis hatte und alleine arbeiten statt in der Gruppe. Sie durfte frei entscheiden, ob sie lieber in einer anderen Klasse den Tag verbringen möchte als an einem Ausflug teilzunehmen. Wir haben viele intensive Gespräche geführt und kreative Lösungen gefunden, die es ihr erleichtert haben, sich zurechtzufinden und ihrer Persönlichkeit Raum zu geben. Sie wurde für ihr Anderssein nicht kritisiert und es wurde auch nicht versucht, sie in ein System zu pressen oder sie zu einem Menschen zu formen, der sie nicht war. Sie durfte sie selbst bleiben und hat mit ihrer Gabe Platz in einer wunderbaren Gemeinschaft gefunden.

Das hochsensible Kind in der Schule – Tipps für Eltern

  • Vorbereitung auf die Schule: In den meisten Schulen werden neben Tagen der offenen Türe auch Schnuppernachmittage angeboten, um nicht nur die künftigen Lehrer, sondern auch schon die künftigen Klassenkollegen und das Schulgebäude kennenzulernen. Einem hochsensiblen Kind genügt ein einziger Besuch nicht. Daher ist es gut, schon im Vorfeld mit den Eltern in Kontakt zu kommen und so schon Treffen zu organisieren, damit sich das Kind schon ein wenig anfreunden kann.
  • Die Schule: Hochsensible Kinder benötigen eine ruhige, angenehme Atmosphäre und die Möglichkeit, dass auf ihre Bedürfnisse Rücksicht genommen wird. Auch zeitgemäße Lernmethoden wie nach Montessori, Steiner oder Freinet kommen hochsensiblen entgegen. Immer wieder sucht ein hochsensibles Kind nach Regeneration und fordert eine wertschätzende Führung mit Klarheit. Oft brauchen sie auch Erwachsene als Unterstützung, damit sie ihre eigenen Grenzen finden. Wenn die Schule die Bedürfnisse eines hochsensiblen Kindes zulässt statt ihr Anderssein zu kritisieren, dann ist schon ein wichtiger Schritt erfolgt.
  • Über den Schulbeginn reden: Kinder haben feine Antennen und hochsensible Kinder nochmal mehr. Wenn sie irgendwo Gejammer über die Schule aufgeschnappt haben oder bei älteren Geschwister abfällige Bemerkungen über die Schule gehört haben, kann bei deinem Kind ein falsches Bild von der Schule entstehen, das zu Verunsicherung führt. Am besten ist es, um die Schule gar kein großes Drama zu machen, sondern immer wieder Klarheit zu schaffen und darüber reden, was auf das Kind nun zukommt. Auch Kinderbücher können dabei unterstützen.
  • Der Schulweg: Egal ob hochsensibel oder nicht, der Schulweg sollte schon einige Wochen vor dem Schulbeginn geübt und besprochen werden. Auch hochsensible Kinder können es nach ein paar Wochen schaffen, den Schulweg alleine zu gehen – sofern es für dein Kind möglich ist und der Gedanke daran keinen Stress bei ihm auslöst. Vielleicht geht ja auch ein Freund oder eine Freundin denselben Weg, dann könnten sich die Kinder verabreden, denn die Situation in der Gruppe zu meistern fällt vielen Kindern leichter.
  • Kontakt zu den Lehrern: Es kann nicht schaden die Lehrer im Vorfeld über die besondere Gabe des Kindes aufzuklären, damit Anpassungsschwierigkeiten nicht als Problem gesehen werden, sondern als eine Begleiterscheinung der Hochsensibilität. Aber: Nicht alle Lehrer können mit diesem Thema etwas anfangen und tun es als „Humbug“ ab. Daher ist es gut, wenn du einen guten Draht zu den Lehrern hast und das Thema sanft vorbereitest.
  • Schulanfang und Probleme: Was dein hochsensibles Kind braucht ist Zeit. Zeit, damit dein Kind üben kann, seinen Platz in der Klassengemeinschaft zu finden, Zeit, um Probleme selber zu lösen und Zeit, um in der Schule und in seinem neuen Alltag anzukommen. Viele Kinder klagen darüber, dass bei normalsensiblen Kindern die Umstellung gut bis Weihnachten dauert, bei einem hochsensiblen Kind kann es noch deutlich länger sein. Dein Kind braucht für die Bewältigung der Umstellung Sicherheit und Unterstützung.
  • Das langsame Kind: Hochsensible Kinder sind oft jene, die einen langsameren Eindruck machen. Der Grund dafür liegt darin, dass das hochsensible Kind mehr als der Durchschnitt wahrnimmt und auch verarbeitet. Hinter einem langsamen Kind kann ein hochintelligentes Kind stecken, das einfach nur mehr Zeit braucht, um alle Reize zu verarbeiten.
  • Überreizung durch die Schule: Die neuen Eindrücke in der Schule können das hochsensible Kind überstimulieren. Es braucht dann zu Hause umso mehr Geborgenheit, Zuwendung und Sicherheit als Ausgleich. Bei meiner Tochter hat sich ein Ritual etabliert: Sie erzählt mir abends immer noch von ihrem Tag und wir besprechen aber auch, was sie am nächsten Tag erwartet.
  • Ausflüge, Projektwochen &Co.: Die Überreizungsgefahr ist hier besonders groß. Daher braucht es eine gute Vorbereitung in enger Zusammenarbeit mit den Lehrern, damit das hochsensible Kind sich nicht mit Angst auf die neue Situation einlässt, sondern auch Vorfreude verspüren kann. Ein hochsensibles Kind hat noch mehr Ängste, Sorgen und Unsicherheit vor einer Klassenfahrt als ein normalsensibles Kind, weil es bedeutet, dass es sich auf eine komplett neue Situation und Umgebung einstellen muss. Je besser solche Aktivitäten vorbereitet werden, desto besser fühlt sich das Kind dann dabei.
  • Gespräche auf Augenhöhe: Hochsensible Kinder können mit Druck, Stress oder Drill nicht umgehen, sondern verlangen nach Gesprächen auf Augenhöhe und wollen ernstgenommen werden.

Ein guter Draht zu den Lehrern und eine gute Gesprächsbasis sind wichtig, um einem hochsensiblen Kind den Schulalltag zu erleichtern. Im heutigen Schulsystem haben es hochsensible Kinder nicht leicht und oft wird ihre Besonderheit dann als AD(H)S oder eine andere Form der Verhaltensauffälligkeit gesehen. Dabei wollen hochsensible Kinder genauso wie alle anderen Kindern eines: Gesehen und angenommen werden.

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