Reboarder – Kindersitz: Warum sich die Anschaffung eines teuren Sitzes lohnt

pixabay-child-862770_1920

Reboarder. Es ist in Mitteleuropa üblich, dass Kleinkinder, die schon selbst sitzen können, nach der Babyschale in einem vorwärts gerichteten Kindersitz im Auto zu transportieren. Der Wechsel von der Babyschale auf einen vorwärts gerichteten Kindersitz erfolgt meist um den ersten Geburtstag herum, weil die europäische Gesetzgebung ab 9kg Körpergewicht einen Wechsel erlaubt und – wenn man Eltern fragt „Das Kind schon so gerne etwas sehen möchte“, „ihm sonst langweilig ist im Auto“ oder „es dann weniger schreit, wenn es nach vorne schauen kann“.

Aber: Wusstest du, dass Kleinkinder bis zum Alter von 4 Jahren einem rückwärtsgerichteten Kindersitz 5x sicherer fahren?

Was sind Reboarder?

Reboarder sind rückwärtsgerichtete Sitze für einen sicheren Transport des Kindes im Auto für die Gruppen 0/I (0-18kg), I (9-18kg), I/II (9-25kg) oder 0+/I/II (0-25kg). Neben den echten Reboardern gibt es auch Pseudoreboarder, die auch vorwärts gerichtet genutzt werden können und deutlich preisgünstiger sind als die echten Reboarder – dafür können sie auch nur bis 13kg rückwärts gerichtet verwendet werden.

Der Frontalcrash und seine Folgen für dein Kind

25% aller Kleinkinder, die in einen Frontalunfall verwickelt waren und in einem vorwärts gerichteten Kindersitz saßen, tragen schwere Kopf- und Wirbelsäulenverletzungen davon oder sterben. Bei einem Frontalunfall kollidieren zwei Autos frontal miteinander und dadurch wirken zwei gegen gerichtete Kräfte aufeinander. Bei einem Frontalcrash werden diese Kräfte addiert: Wenn ein Auto 50km/h fährt und das andere Auto 80km/h, dann wirken Kräfte, als würde das Auto mit 180km/h gegen eine Wand fahren. Vereinfacht gesagt. Diese Kräfte wirken auf das Kind und vor allem auf seinen Kopf. Ein Frontalcrash endet für viele Kinder tödlich, auch, wenn sie im Auto angeschnallt und in einem Kindersitz sitzen.

Warum das so ist, lässt sich mit einem Blick auf das Verhältnis zwischen Kopf und Körper beim Kleinkind erklären: 25% des gesamten Körpergewichts macht der Kopf aus.

Die Nackenmuskulatur und die Wirbelsäule sind bis zum Alter von 4 Jahren noch nicht vollständig entwickelt, denn erst nach dem vierten Lebensjahr sind die Wirbelkörper, die zuvor nur aus Knorpelgewebe bestehen, vollständig geschlossen. Bei einem Frontalcrash wird der Kopf in einem vorwärtsgerichteten Kindersitz mit einer enormen Wucht nach vorne geschleudert, der restliche Körper durch die Gurte zurückgehalten wird. Diese extremen Kräfte können nicht ohne Hilfe kompensiert werden. Ein Crash mit 50km/h kann mit einem Sturz aus dem dritten Stock verglichen werden, bei dem die gleichen Kräfte wirken. Ab einer Streckkraft von 130kg treten schwerwiegende Folgen für das Kind auf: Rückenmarksverletzungen, Querschnittlähmungen oder der Tod. Was nun wie ein Schauermärchen klingt, ist leider an der Tagesordnung, denn Frontalcrashs sind die häufigsten Autounfälle.

In einem Reboarder wird die Aufprall-Energie über den Rücken des Kindes gleichmäßig in den Sitz geleitet – der Sitz wirkt dabei wie ein Schutzschild und beschützt den Rumpf.

Reboarder: 5 Mal sicherer für dein Kind

  • Nur weil ein Kind bereits sitzen kann ist es trotzdem noch nicht weit genug entwickelt, um sicher vorwärts gerichtet im Auto transportiert zu werden. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – auch nicht beim Körperbau: Ihr Kopf ist unverhältnismäßig schwer und macht 25% des Körpergewichts aus. Bei Erwachsenen nur 6%.
  • Bei einem Frontalcrash wird jedr Körperteil beschleunigt. Im vorwärtsgerichteten Kindersitz wird der Oberkörper durch die Gurte gehalten, der Kopf wird nach vorne geschleudert, sodass die gesamte Zugspannung auf den Nacken und die Wirbelsäule wirkt. Schwere Verletzungen können die Folge sein.
  • Beim rückwärtsgerichteten Sitz wird der gesamte Körper in den Sitz gedrückt und die Aufprallenergie wird vom Reboarder aufgenommen.
  • 59% aller Frontalunfälle enden tödlich
  • Schwedische Studien aus der Unfallforschung zeigen, dass rückwärtsgerichtete Kindersitze das Risiko für schwere Verletzungen um 95% reduzieren.
  • Reboarder haben auch beim Seitenaufprall Vorteile: Der Kopf bleibt trotz Seitenaufprall in Ruheposition und wird nicht zur Seite geschleudert.

Vorurteile gegenüber Reboardern

  1. Reboarder schneiden in den Tests immer so schlecht ab

Stimmt und stimmt nicht. Denn die meisten Eltern schauen nicht darauf, wie die Testergebnisse zustande kommen, denn das Gesamt-Testergebnis setzt sich immer aus mehreren Teilen zusammen. Reboarder schneiden in den Test in der Handhabung schlechter ab, weil ihr Einbau aufwändiger ist als bei einem vorwärtsgerichteten Sitz und auch komplizierter. Weil die Reboarder hier noch unbekannt sind und sie über mehrere Sicherungssysteme verfügen wie einen Standfuß und einen Überrollbügel, braucht der Einbau erst einmal Zeit. Bei den Testverfahren läuft es aber so ab, dass ein paar Testpersonen ohne Vorführung des Produkts den Reboarder einbauen sollen – kommt es hier zu Schwierigkeiten, fließt dieses Ergebnis in die Gesamtnote ein. Schneidet ein Sitz beim Handling mit 3 ab, bei der Sicherheit mit 1, dann ergibt sich daraus ein Durchschnittswert von 2. Umgekehrt ist es bei den Sitzen genauso: Ein Sitz kann ebenso eine 3 bei der Sicherheit haben und eine 1 beim Handling, dann bekommt er auch eine 2. Eltern werden hier ein bisschen an der Nase herumgeführt, wenn sie sich nicht genau anschauen, wie die Testergebnisse im Detail aussehen.

Ein Reboarder ist sicherer, er ist nur komplizierter einzubauen. Weil dieses Problem in den letzten Jahren immer wieder thematisiert wurde und es durch das komplexe Einbauen auch zu Fehlern kam, die die Sicherheit beeinträchtigten, hat sich auf diesem Gebiet vieles getan und so gibt es auch schon Reboarder mit Isofix, die deutlich leichter einzubauen.

  1. Reboarder sind herausgeschmissenes Geld

Ja, ein Reboarder ist teurer als ein halbwegs guter nach vorne gerichteter Sitz, den es um rund 150 Euro gibt. Reboarder sind mit etwa 250 Euro aufwärts deutlich teurer. Das ist eine Menge Geld, aber eine Menge Geld, die in die Sicherheit des Kindes investiert wird. Leg nur jeden Tag für ein Jahr einen Euro zur Seite – das tut nicht weh, oder? Und es gibt noch andere Möglichkeiten: Zum Geburtstag oder zu Weihnachten statt Spielsachen lieber Geld für einen Reboarder wünschen oder beim Händler anfragen, ob sie eine Ratenzahlung anbieten. Kleinkinder fahren in Reboardern bis zu 5 Mal sicherer als in normalen Sitzen. Was wie ein Marketinggag wirkt, entspricht in diesem Fall der Wahrheit.

  1. Mein Kind mag nicht im Reboarder sitzen, das ist total unbequem

Wenn ein Kind im Reboarder sitzt, dann muss es mit fortgeschrittenem Alter im Schneidersitz sitzen. Viele Eltern wollen ihrem Kind das nicht antun und es nicht quälen. Aber: Beobachte dich einmal selbst, wenn du im Auto sitzt: Änderst du nicht auf deine Position? Ist es nicht irgendwann unangenehm immer mit ausgestreckten, herunterhängenden Beinen zu sitzen?  Die herunterhängenden Beine sind auch für uns Erwachsene unangenehm, genauso wie für dein Kind und irgendwann wird es die Beine anziehen oder sich in den Schneidersitz setzen.

  1. Im Reboarder kann mein Kind während der Fahrt nichts sehen

Anders gefragt: Wenn das Kind vorwärts gerichtet sitzt, dann sieht es die Kopfstützen. Spannend oder? Mach einfach mal den Selbsttest und setze dich selbst auf die Rückbank. Was siehst du? Nicht viel. Du kannst aus dem Fenster schauen und das war es auch schon. Und wenn du dich umdrehst und rückwärts gerichtet sitzt, was siehst du dann? Ah, ein Panorama! Das ist doch gleich viel besser. Was will man mehr?

  1. Meinem Kind wird im Reboarder übel

Dieses Argument hört man oft, aber: Warum sollte dem Kind von der rückwärtsgerichteten Babyschale in den rückwärtsgerichteten Reboarder schlecht werden? Wenn deinem Kind die Eindrücke zusetzen, dann häng die Scheibe einfach ab, Problem gelöst. Aber das Problem kommt nicht vom Reboarder, sondern ist ein normales Phänomen der Reiseübelkeit, das auch in einem vorwärtsgerichteten Sitz geschehen würde. Und nach hinten raus sollte es kein Problem sein, denn diese Situation kennt dein Kind vom Kinderwagenfahren oder vom Tragen, wenn sich die Landschaft langsam entfernt.

  1. Reboarder sind sperrig und passen nicht ins Auto

Ja, Reboarder sind größer und sperriger, der Einbau ist kompliziert und auf manche Extras wie Staufächer, Typenlisten etc. muss geachtet werden. Aber: Sind es nicht genau diese Dinge, die es einem Wert sein sollten, wenn das Kind dann sicherer ist? Gerade weil Reboarder größer und schwerer sind, sind sie auch stabiler und sicherer.  Es gibt für wirklich jedes Auto den passenden Reboarder. Verschiedene Modelle können beim Fachhändler getestet werden.

  1. Früher hatte man das auch nicht

Stimmt nicht ganz. Reboarder gab es früher auch schon. In den skandinavischen Ländern sogar schon seit den 70er Jahren! Damals hat man einfach die Wanne vom Kinderwagen auf die Rückbank gestellt. Der Straßenverkehr wird jedoch immer gefährlicher und die Gesetzeslage muss sich dieser Entwicklung anpassen. So war es auch bei den Sicherheitsgurten, deren Pflicht noch nicht so alt ist.

  1. Und bei einem Heckunfall? Ist da ein vorwärts gerichteter Sitz nicht besser?

Statistisch gesehen geschieht ein Heckunfall deutlich seltener als ein Frontalcrash und sie machen auch nur 2-5% der Unfälle mit schweren Verletzungen aus. Heckunfälle laufen deutlich glimpflicher ab, weil es sich dabei meist um leichte Auffahrunfälle handelt (außer es sind Heckunfälle auf der Autobahn mit Hochgeschwindigkeiten) und mehr Knautschzone durch den Kofferraum vorhanden ist. Egal wie sehr man aufpasst, es kann immer passieren, dass man unverschuldet in einen Unfall verwickelt wird. Doch es passiert selten, dass zwei Autos mit dem Kofferraum aufeinander knallen 🙂

TEILEN