Ferien mal ganz langsam

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Zwei Schulkinder und ein Kindergartenkind dürfen 9 Wochen Auszeit vom Alltagsstress genießen. Und sie genießen in vollen Zügen. Was ihnen scheinbar leicht fällt, stellt mich vor eine Herausforderung. Ich liebe es zu planen. Ich bin gerne vorbereitet und habe immer ein „Ass im Ärmel“. So habe ich schon vor den Ferien ein „Programm“ zusammengestellt und nach Dingen gesucht, die wir in den Ferien machen könnten. Ich war guter Dinge, meinen Kindern den ultimativ tollen Sommer zu bieten– Ferien, die sie nicht vergessen werden. Knappe vier Wochen sind schon vorbei und von meinem Programm haben wir bisher NICHTS gemacht. Bei all der Langeweile fehlt uns sie Zeit dazu.

Die Kleinigkeiten schätzen

Wenn ich mich an meine Sommerferien zurückerinnere, was habe ich davon noch im Erinnerung? Viel Zeit mit meinen Großeltern, Radausflüge, Ziesel füttern, kochen und backen mit der Oma, Blumen pflücken am Bach, Erbsen am Feld pflücken und viel Zeit für Bücher. Ab und zu waren wir im Zoo oder im Haus des Meeres, und wir fuhren etwa alle 2-3 Jahre nach Kärnten auf Urlaub. Ich erinnere mich an einen Sommer voller Freiheit, Zeit, Langeweile und unaufgeregten Dingen. Fußballspielen im Garten, Gummihüpfen zwischen zwei Birken, ungeschickte Volleyballversuche, Unkraut jäten. Schon komisch, warum ich jetzt das Gefühl habe, mich jedes Jahr mit meinen Ideen übertreffen zu müssen.

Im Land der Zwänge

Willkommen im Land der selbst auferlegten Zwänge. Meine Zwänge. Das Gefühl, immer etwas tun zu müssen, anbieten zu müssen, unterwegs zu sein und ihnen Räume ermöglichen, für die sonst keine oder nur wenig Zeit bleibt. Vielleicht bin ich deshalb so, weil ich es selbst nie erlebt hatte und heute meine Sehnsüchte nach anderen Ländern und Naturerfahrungen immer deutlicher spüre. Vielleicht auch weil ich höre, was die anderen Kinder so alles erleben und ich nicht möchte, dass sie nach 9 Wochen nichts erzählen können. Mit einer Vulkanwanderung oder einem Europa-Roadtrip können wir nicht mithalten. Vielleicht, weil ich mich da manchmal zu sehr mitreißen lasse, als einfach auf das zu schauen, was meine Kinder brauchen. Ja, ich bin ein planungsliebender Mensch. Nur doof, dass meine Kinder in diesem Punkt so gar nichts von mir bekommen haben.  Dafür kann ich von ihnen lernen: Sie lehren mich Müßiggang, Einhalten, das Konzentrieren auf die Kleinigkeiten im Leben, die Freude an Sand, Muscheln und Kieselsteinen.

Ferien mal ganz langsam

Statt sich von meinen Plänen anstecken zu lassen, verbringen sie die Zeit mit Büchern, Hörspielen und stundenlangem Lego bauen. Zwischendurch loomen sie ein wenig, basteln mal dies und das, schreiben einen Brief an ihre Freunde, gießen die Blumen und ernten die ersten reifen Früchte, lassen die Seele baumeln und verziehen schon das Gesicht, wenn ich ihnen vorschlage, Radfahren zu gehen. „Oh, nein, wir spielen gerade. Sonst vergessen wir ja, wo wir waren.“ Obwohl meine Kinder oft laut sind, sind sie jetzt sehr leise und ruhig. Kein Streit, keine Hektik. Sie sind ausgeglichen und das tut uns allen gut. „Mama, kann ich mit dir kochen?“ – und das Kind ist glücklich. Sie fordern eines: Ruhe. Eine Pause. Und Zeit miteinander. Ohne Programm und fixe Termine.

Die Batterien sind leer

Auch wenn wir es als Erwachsene nicht immer sehen, Kindergarten und Schule bedeuten für unsere Kinder Anstrengung. Statt sich ständig fokussieren und konzentrieren zu müssen und einem anstrengenden Geräuschpegel und Gruppenzwang ausgesetzt zu sein, genießen sie es nun, Langeweile zu erfahren, die Zeit einfach vergehen zu lassen und das zu tun, was ihnen gerade in den Sinn kommt. Sie haben nicht mehr die Kapazitäten, noch mehr zu erleben, noch mehr zu tun, noch mehr Verpflichtungen zu haben. Aus den Sommerferien schöpfen sie Kraft und tanken Energie auf, die sie schon bald wieder brauchen, um den Herausforderungen im Kindergarten- und Schulalltag gewachsen zu sein. Genauso wie wir Erwachsene Urlaub brauchen, brauchen ihn auch unsere Kinder. Wir sollten ihnen also die Zeit geben, sich zu langweilen, um zur Ruhe zu kommen und die Batterien wieder aufzuladen, statt irgendwelchen Zwängen hinterherzuhetzen, wenn sie ganz offensichtlich zur Überforderung führen würden. Und am besten machst du selbst gleich mit.

Abschalten, einfach mal nichts tun, die Seele baumeln lassen, sich in Spiele vertiefen, ausschlafen, keinen Zeitdruck, keine Hektik, Freunde treffen, lange aufbleiben – genau so sollten sie sein, die Ferien, an die wir uns selbst auch gerne zurückerinnern.

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