Warum vorlesen so wichtig ist

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Eine Studie der Stiftung Lesen ergab, dass im Jahr 2014 nur etwa 1/3 aller Mütter und Väter in Deutschland ihren Kindern gar nicht oder nur selten vorliest. Dabei ist vorlesen so wichtig: Wird Kindern regelmäßig vorgelesen, wirkt sich das positiv auf den Spracherwerb und das Lesen aus. Die Konzentration wird gefördert, die Fantasie angeregt und die Bindung gestärkt!

Lesen wird durch das große Angebot an neuen Medien immer weiter in den Hintergrund gedrängt: Fernsehen, Radio hören, einem Hörbuch lauschen oder im Internet surfen ist weitaus attraktiver und beliebter, als ein Buch in die Hand zu nehmen. Dabei hat eine schlechte Lesekompetenz weitreichende Folgen und Auswirkungen auf die schulischen Leistungen und auch im Beruf: Eine schlechte Lesekompetenz führt zu leichter Verschuldung, zu Desinteresse an gesellschaftlich-politischen Themen, zu Schwierigkeiten, sich in seiner Umwelt zurecht zu finden oder einfache Anträge auszufüllen. Die Fähigkeit zu Lesen beginnt bereits beim Vorlesen in der Kindheit.

10 Gründe, warum Vorlesen Eltern und Kindern gut tut

  1. Vorlesen ist eines der schönsten und einfachsten Rituale.
  2. Kinder können Alltagserfahrungen leichter aufarbeiten bzw. mithilfe der Bücher leichter erzählen.
  3. Vorlesen unterstützt die Sprachentwicklung und Lesekompetenz
  4. Vorlesen beruhigt und schafft eine entspannte Atmosphäre
  5. Die Eltern-Kind-Bindung wird gestärkt
  6. Vorlesen hilft dabei, die Konzentrationsfähigkeit zu entwickeln
  7. Vorlesen unterstützt die Fantasie und Empathieentwicklung von Kindern
  8. Die Urkraft der Märchen tut Kindern besonders gut
  9. Vorlesen fördert die sozialen Fähigkeiten und die emotionale Intelligenz
  10. Vorlesen ist eine Insel der Ruhe vom Alltag

Vorlesen: Familie als Ort der Literacy-Erziehung

„In 30 Prozent der Familien mit Kindern im Vorlesealter von zwei bis acht Jahren wird laut der Vorlesestudie selten oder gar nicht vorgelesen. Dies gilt weiterhin besonders für Haushalte aus bildungsfernen Schichten. Ebenso lesen Väter ihren Kindern deutlich seltener vor als Mütter: Während 29 Prozent der Mütter ihren Kindern täglich vorlesen, machen dies nur neun Prozent der Väter.“ https://www.stiftunglesen.de/institut-fuer-lese-und-medienforschung/forschungsprojekte/vorlesestudie

In den ersten sechs bis acht Lebensjahren erwerben Kinder die phonologische Bewusstheit, ein Schriftbewusstsein im Sinne von Buchstaben und Zahlen, ein pragmatisches Bewusstsein zum situativen Gebrauch von Sprache in mündlicher und schriftlicher Form, den Zugang und den Umgang mit Büchern und digitalen Medien im Kontext der Literacy-Erziehung. Was sich nun sehr wissenschaftlich anhört, sind normale Entwicklungsschritte, die beiläufig und unbewusst vermittelt oder erworben werden. Diese Basis, auf der das Lesen und der Schriftspracherwerb aufbauen, sind keineswegs alleinige Angelegenheit des Kindergartens oder der Schule, sondern eine Aufgabe der Familie: Die Familie als Lernort nimmt im frühkindlichen Spracherwerb und den ersten Erfahrungen mit Schriftsprache eine bedeutende Rolle ein. Die Interaktion, der spielerische Impuls innerhalb der Familie, die Zeit miteinander als Basis für Bindung und gefestigte Emotionen sind Grundlagen für den mehrstufigen Prozess des Spracherwerbs, der mit dem Zeitpunkt der Geburt beginnt. Eltern, die mit ihren Kindern von Beginn an viel sprechen, sie in die Interaktion einbauen, sie direkt ansprechen und ihnen zuhören, bereiten die Basis für weitere Literacy-Fähigkeiten vor.

Auch das Tragen des Babys begünstigt diese Fähigkeiten, denn das Baby nimmt beinahe auf Augenhöhe an den Gesprächen der Erwachsenen teil – und wenn es doch einmal zu viel wird, kann es sich im Tragetuch oder in der Trage verkriechen. Bereits junge Babys interagieren und „antworten“ ihren Eltern auf die Weise, in der sie es können. Durch Nachahmung, Erfahrung und kognitive Entwicklung erweitern Kinder ihre Kommunikationsfähigkeiten im verbalen und nonverbalen Bereich.

Jetzt kommen wir zum Vorlesen: Nicht nur für die Sprachentwicklung, auch für die Empathie ist das Vorlesen entscheidend. Wer früh die Weichen legt und das Interesse an Büchern und am Lesen weckt, bereitet so die Lesekompetenz aus. Dem gemeinsamen Betrachten von (Bilder-)büchern wird bei der Sprachentwicklung eine große Rolle beigemessen. Die Dichte an Begriffen und Bild-Wort-Zuordnungen ist in der gesprochenen alltäglichen Sprache weitaus geringer als beim Betrachten eines Buches. Kinder lernen so Situationen und Dinge außerhalb ihrer Lebenswelt kennen, sie lernen unterschiedliche Begrifflichkeiten kennen, können sich in andere Rollen hineinversetzen und diese dann auch nachspielen. Dabei entwickeln sich Fantasie und Empathie spielerisch.

Das WIE ist entscheidend

Vorlesen ist nicht einfach vorlesen: Vorlesen ist nicht einfach ein Buch nehmen und hinsetzen, es ist ein miteinander betrachten, anschauen, nachfragen, frei erzählen und darüber nachdenken. Die Interaktion mit einer zweiten Person macht das Buch bzw. die Geschichte erst lebendig und greifbar. Neurowissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass das Kind, sobald es auf dem Schoß einer Person sitzt, das Gefühl assoziiert, geliebt zu werden. Die Begleit- und Anschlusskommunikation, wie sie in der Fachsprache genannt wird, ist das entscheidende Kriterium und der Unterschied zu Aktivitäten, die das Kind alleine macht (etwa fernsehen oder das Betrachten des Buches mit einem Spielstift).

Die Neugier und Begeisterung für Bücher kann bereits im Kindesalter gelegt werden: Für jedes Alter gibt es passende Bücher. Bilderbücher, Wimmelbücher, Geschichten für Erstleser etc. Vorlesen ist ein guter Effekt, den Kindern die Neugier zu vermitteln. Aber auch die Vorbildwirkung der Eltern: Sehen Kinder ihre Eltern beim Lesen, wird lesen ein fixer Bestandteil im Alltag, wird oft vorgelesen, dann sehen Kinder, dass Bücher ein Teil des Lebens sind und Spaß machen. Bücher sollten Kindern immer frei zugänglich sein, nach Interessen und Entwicklungsstand des Kindes. Um für viel Abwechslung zu sorgen, lohnt sich die Einschreibung auf einer Bücherei und gemeinsame Büchereibesuche als fixer Bestandteil ein Mal pro Woche oder alle zwei Wochen. Kinder wollen ihre Eltern nachahmen, sie wollen so sein, wie die „Großen“. Je öfter dem Kind etwas vorgelesen wird, desto besser!

Am einfachsten sind fixe Lesezeiten im Alltag als Teil eines Rituals, etwa abends vor dem Schlafen gehen. Sich gemeinsam mit dem Kind ins Bett zu kuscheln, noch ein Buch zu lesen oder eine Geschichte, sorgen nicht nur für einen ruhigen Tagesausklang und „bringen das Kind runter“, sondern sind eine wertvolle Zeit miteinander. Das gemeinsame Lesen kann zu Moment der Ruhe, Nähe und Geborgenheit werden – eine Insel der Ruhe im Alltag, wo Kinder von den vielen Eindrücken und Angeboten des Tages gut abschalten können. Diese Zeit stärkt auch die Eltern-Kind-Bindung und bietet Basis für Gespräche – erzählt ein Kind nicht viel von sich, können auch Bücher die Redseligkeit wecken. Wer nach Geschichten und Ideen sucht, findet in unserer Kachel „Schöne Gute Nacht Geschichten“ jeden Tag eine neue Anregung, kostenlos!

Als Faustregel gilt: Immer wenn Kinder Ruhe brauchen, sind Bücher richtig. Wichtig dabei: Fernseher und Radio bleiben aus, das Smartphone wird lautlos gedreht.

 

Lesen ist eine Basiskompetenz – auch für digital natives

Das Angebot an digitalen und interaktiven Leseangeboten (auch im Kindersektor) ist beeindruckend: E-Books, Apps, animierte Kinderbücher, sprechende Stifte – all das kann Lesen sein. Das digitale Zeitalter und die Lesekompetenz sind keineswegs ein Widerspruch: Sind Kinder älter, werden Facebook und Twitter, aber auch diverse Blogs und Websites ein Teil des Leseangebotes sein. Der Vorwurf, Kinder würden nur vor dem Computer sitzen statt zu lesen, ist falsch. Gerade für den Umgang mit den neuen Medien und der Beanspruchung neuer Kommunikationsmedien, ist Lesen eine Basiskompetenz.

Eine Studie der Stiftung Lesen zum Thema „Digitale Angebote – neue Anreize für das Vorlesen“ zeigte, dass Eltern Tablets, Smartphones und Co. gerne als Ergänzung zum herkömmlichen Kinderbuch im Papierform verwenden. Die Akzeptanz und die Verbindung der beiden Möglichkeiten bringen hingegen neue Wege und Möglichkeiten für die Leseförderung, die Familien für sich nutzen können.

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