Sollen die anderen reden, was sie wollen

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Seit 8 Jahren nun gehöre ich der Spezies „Eltern“ an. Genauso lange treffe ich Entscheidungen – für mich, meine Kinder und unsere Familie. Genau für diese Entscheidungen stehe ich jeden Tag unter Beobachtung: Ob im Kindergarten, beim Warten vor der Schule, am Spielplatz, beim Einkaufen. Die Beobachter sind nicht nur andere Eltern, es sind alle. Plötzlich muss ich mich für mein Handeln und mein Tun rechtfertigen – bevor ich Kinder hatte, war das alles egal.

Es hat schon in der Schwangerschaft begonnen: Fremde Menschen auf der Straße haben sich erkundigt, wie ich denn gebären würde, denn ein Kaiserschnitt sei heute schon viel besser. Ich solle mir auch gleich ein paar Fläschchen zulegen, denn mit dem Stillen klappt das nicht bei jeder Frau. Und vor allem muss ich immer an den Händen kontrollieren, ob es meinem Kind nicht zu kalt sei. Fremde Menschen haben sich plötzlich in mein Leben eingemischt, mir Ratschläge erteilt und begonnen mit mir darüber zu diskutieren, warum ich unbedingt ambulant entbinden möchte und wie gefährlich das denn sei. Damals habe ich noch diskutiert. Heute habe ich dazugelernt.

Kaum waren meine Kinder dann aber da, ging es erst richtig los: Warum ich nicht alle Kinder gestillt habe? Warum wir kein Familienbett mehr haben? Warum wir uns vorwiegend vegetarisch ernähren? Warum meine Kinder gemeinsam eine Klasse besuchen und ich sie nicht getrennt habe, denn es würde schließlich ihre Persönlichkeit untergraben? Warum meine Kinder schon früh in den Kindergarten gingen, obwohl ich doch Home Office habe? Und ob ich nicht wüsste, dass Kinder in einer Ganztagsschule ganz schlecht aufgehoben seien, weil sie ihrer Kindheit beraubt werden? Es sind alles unsere Entscheidungen, die wir für unsere Familie getroffen haben. Weil sie für uns passen.

Ich könnte es nun ewig weiterschreiben, welche Kritik an meiner Familie regelmäßig von außen geübt wird. Damit bin ich sicher nicht alleine, denn auch ich bin manchmal die, die kritisiert. Ich habe nur eines gelernt: Ich sage es nicht laut. Keift eine Mama im Supermarkt also ihre Kinder an, dann denke ich mir meinen Teil, weil es mir gar nicht zusteht, mir ein Urteil zu bilden. Ich weiß nicht, was vorher schon passiert ist und ich weiß, dass auch ich nicht immer „pädagogisch wertvoll“ oder richtig reagiere.  Ich bin ein Mensch, der Fehler macht. Ich mische mich nur dann ein, wenn es eindeutig Übergriffe gibt. Das ist mir schon einmal am Spielplatz passiert: Ich beobachtete, wie eine Mama ihr schreiendes Baby sehr unsanft aus dem Kinderwagen genommen hat und anschrie, was es dann hat. Es soll endlich aufhören zu schreien. Rund herum konnte man die Blicke sehen, aber niemand wäre hingegangen. Ich ging dann auf sie zu, berührte sie sanft auf der Schulter und habe ihr angeboten, ihr Baby ein wenig zu tragen, wenn sie möchte und eine Auszeit braucht. Ich konnte sie nach einem dauerschreienden highneed-Baby wirklich verstehen. Mehr, als dass sie mich nun auch noch angeschrien hätte, hätte ja nicht passieren können. Sie sagte nur Danke und drückte mir ihr kleines schreiendes Baby in die Hand.

Manchmal gebe ich zu, nervt es mich unglaublich und ich würde am liebsten hinausschreien: Es geht dich nichs an, was ich mache! Es sind unsere Kinder, es ist unsere Familie, es sind unsere Entscheidungen. Nach 8 Jahren Elternschaft habe ich eine dicke Haut bekommen, wenn es um Verurteilungen geht. Sie tangieren mich nicht mehr – nicht mal peripher. Unsere Kinder, die ich ja nur verwöhnt und verzogen habe in den ersten Jahren durch Tragen, Familienbett und Stillen, diese Kinder, die mir nur auf der Nase herumgetanzt sind, die ich nicht im Griff hatte, genau diese Kinder entwickeln sich nun ganz prächtig.  Das bestärkt mich, dass es mir vollkommen egal ist, was die anderen dazu sagen. Sollen sie doch reden.

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