Attachment Parenting: Unsere 8 Grundlagen für das Zusammenleben mit Kindern

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Attachment Parenting wurde zum Schlagwort einer ganzen Elterngeneration. Ein wenig schwingt das Attribut „bessere“ Eltern mit – so, als würden Attachment Parenting-Eltern das Geheimrezept für glückliche und zufriedene Babys gefunden haben. Ganz so ist es nicht, denn ihre Kinder weinen genauso, trotzen genauso, sind stur und wachen nachts auf. Ich spreche aus Erfahrung. Es geht bei Attachment Parenting nicht um ein Patentrezept und den „richtigen“ Weg, an dem sich Eltern orientieren müssen. Sondern es geht darum, seinem Kind mit Achtsamkeit zu begegnen, es als Person ernst zu nehmen und auf seine Bedürfnisse einzugehen. Und jedes Baby ist anders. So wie jede Familie auch.

Vergiss also Diskussionen, ob sich eine stillende Mutter im Gegensatz zu einer Mutter, die die Flasche gibt, automatisch als AP-Mutter qualifiziert. Es geht um keine theoretischen Abhandlungen, wie Babys am besten beruhigt werden oder ob „Wenn-Dann-Formulierungen“ nur eine andere Form der Erpressung sind. In erster Linie geht es darum, sein Herz für die individuellen Bedürfnisse seines Kindes zu öffnen und darauf vertrauen, dass das Kind holt, was es sich braucht. Es geht darum, die Signale ernst zu nehmen und darauf zu reagieren. Und nicht darum, einen Wettkampf entstehen zu lassen, wer es „richtiger“ macht.

 

Unsere 8 Grundlagen des Attachment Parenting

  1. Vorgeburtliche Beziehungsförderung: Attachment Parenting beginnt für mich schon vor der Geburt. Nämlich im Kontext der vorgeburtlichen Beziehungsförderung. Ich hatte Glück und durfte diese Erfahrung bei meinem dritten Kind machen: Ein Mal pro Woche habe ich mir bewusst unter Anleitung Zeit genommen für Gespräche mit meinem Kind. Wir haben uns ausgetauscht, aufeinander eingelassen. Ich habe tief in mich und meine Gebärmutter hingespürt, ich habe Bilder gesehen, ich habe diesen kleinen Menschen schon kennengelernt, als er noch ein Teil von mir war. Als dann die Geburt kam, wusste ich, was sie will, was sie braucht und wann sie bereit ist, diese Welt kennenzulernen und ihre geschützte Höhle zu verlassen. Ich kannte diesen kleinen Menschen bereits. Wir waren einander vertraut.
  2. Bonding bei der Geburt: Die Stunden und Tage nach der Geburt sind für Eltern und Baby eine sensible Zeit. Wir Mütter sind darauf programmiert, uns um das Neugeborene zu kümmern und eine Bindung aufzubauen. Wir können gar nicht anders. Alles andere wird ausgeblendet. Als ich dieses kleine Wesen zum ersten Mal auf die Brust gelegt bekam, sah ich in zwei Augen, die mir so vertraut waren, die ich bereits kannte. Ihr Blick durchbohrte mich und ließ nicht mehr von mir los. So als wollte sie überprüfen, ob ich wirklich so ausschaue, wie ich es ihr beschrieben habe.
  3. Signale wahrnehmen: Bewusst verzichte ich auf den Begriff Stillen, denn es geht bei AP darum, die Signale des Babys zu deuten: Ob das nun Hunger, Müdigkeit oder Blasenentleerung ist. Das Baby sendet Signale aus und es liegt an uns, diese wahrzunehmen. Was anfangs noch schwer erscheint (wie etwa die Entleerung der Harnblase), klappt immer besser, je mehr sich eine Mutter auf ihr Baby einlässt. So ist es auch beim Stillen und bei Müdigkeit, Überreizung oder dem Bedürfnis nach Nähe.
  4. Körperkontakt: Egal ob Tragen, Stillen oder das Füttern mit Flasche: Überall entsteht durch die Berührung Oxytocin, das Liebes-Hormon, das Bindung entstehen lässt. Das Bedürfnis nach Nähe ist ein Bedürfnis des Babys, genauso wie Nahrung und Schlafen. Wer sein Baby trägt, lernt es auch besser kennen und gibt seinem Baby die Gelegenheit, seine Umwelt in seinem Tempo zu erfahren. Meine Kinder waren Tragekinder aus Überzeugung und wurden gestillt. Bis auf ein Kind, das bekam Muttermilch per Flasche. Einen Unterschied im Bindungsverhalten erkenne ich nicht, denn wenn sie die Flasche bekam, war sie bei mir (oder bei wem anderen) am Arm – so wie auch jedes Stillkind.
  5. Niemand muss alleine schlafen: Der Platz zwischen den Eltern im Familienbett muss nicht der richtige Schlafplatz für jedes Baby sein. Vielmehr geht darum eine Regelung zu finden, wie alle Familienmitglieder am besten schlafen. Aus Sicht der Evolution sind Babys nicht dafür gemacht, alleine zu schlafen – das heißt aber nicht, dass sie im Bett der Eltern schlafen müssen. Sie können auch im Beistellbett schlafen, im Gitterbett im Elternschlafzimmer oder auch mit Geschwistern in einem Bett. Die Nähe nachts hilft, miteinander verbunden zu bleiben (und ermöglicht beim Dauerstillen doch ein wenig Erholung). Aufmerksamen Lesern ist es nicht entgangen, dass wir froh sind, kein Familienbett mehr zu haben.
  6. Kommunikation: Babys können sich nicht anders als übers Weinen mitteilen. Statt weinen als etwas zu sehen, dass abgestellt werden muss, kann ich es als Kommunikationsmittel sehen. Ich kann meinen Kind bewusst zuhören, ich kann ihm Zeit zum Auskotzen geben und das Weinen annehmen als das, was es ist: Die Art und Weise, wie sich mein Baby mir mitteilt. Es möchte mich damit nicht manipulieren, sondern es braucht mich. Das ist wichtig zu verstehen.
  7. Gleichgewicht und meine Grenzen: Attachment Parenting meint nicht die Selbstaufgabe der Eltern für ihr Baby. Der Schlüssel ein Gleichgewicht (und damit Entspannung) in der Familie ist, die eigenen Grenzen zu wahren und Hilfe annehmen können.
  8. Die guten Ratschläge anhören: Ja, wir haben sie auch gehört. „Was, du stillst noch immer?“, „Wenn sie so viel weint, reicht die Milch nicht mehr“, „Im Tragetuch bekommt sie ja gar keine Luft.“, „Jetzt muss sie langsam lernen, dass du nicht immer springst wenn sie weint“. Ich habe sie angehört, ich habe über einige auch nachgedacht und dann entschieden, was zu uns und meinem Kind passt. Ich wusste, warum mein Kind weint – das hatte nichts mit Manipulation zu tun oder mit der Tatsache, dass ich mein Kind verwöhne.

Für mich ist Attachment Parenting wie ein unsichtbares Band zwischen Eltern und Kind. Ich spüre, was mein Kind braucht, ich spüre, wenn es nachts aufwacht, ich spüre, wenn es im Ungleichgewicht ist, ich spüre, wenn es etwas nicht stimmt. Viele Stunden zusammen haben dazu geführt, dass ich meine Kinder nun guten Gewissens ein Stück von mir weglassen kann. Sie sind bereit für die große Welt, sie sind bereit, sich in anderen Zusammenkünften zurechtzufinden. Sie werden vieles in Frage stellen und hinterfragen, sie wollen nun verstehen, warum mir diese Werte wichtig sind und warum manches in anderen Familien eben anders läuft. Aber ich kann auf eine gute Basis vertrauen. Ich habe ihnen alles mitgegeben, was ich konnte und was sie brauchten. Ohne dabei auf mich zu vergessen.

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